In einer Lehrveranstaltung an der FH St. Pölten mit Heidi Ramler wurde wieder eine Kombination aus Prinzipien des Inverted Classroom und den Einsatz von Methoden der Angewandten Improvisation umgesetzt. Bei einem gemeinsamen Gespräch wurden zunächst Lernziele der Lehrveranstaltung besprochen und dann ein Grobplan für den Einsatz der ImproImpulse erstellt. Diese sollten beitragen, Ziele zu unterstützen wie:

Als eine von mehreren Vorbereitungsaufgaben für den ersten Termin wurden die Studierenden ersucht in einem Padlet (Erklärung des Instruments) ein Assoziationsspiel mit Satzteilen (Variation eines Satz-für-Satz Improvisations-Games http://www.improflair.at/wiki/doku.php?id=assoziations-games_mit_vorgaben_zur_zahl_art_der_eingesetzten_worte_saetze) zum Thema der Lehrveranstaltung umzusetzen. Die Grundidee: Zunächst zu einem vorhandenen ersten Teil des Satzes möglichst spontan einen zweiten Teil schreiben. In einem zweiten Schritt mögliche Kombinationen vorhandener Satzteile austesten. Es entstanden bei der Umsetzung zwar einige Satzteile, die Anleitung zur Kombination war aber offensichtlich zu unklar. Nötig wäre hier wohl gewesen vor Spielbeginn einige Satzteile im padlet anzulegen sowie diese mit Nummern zu versehen und verschiedene Kombinationsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Es handelt sich um eine geteilte Gruppe; Heidi und ich gehen so vor, dass ich bei der einen Gruppe die Methoden umsetze und sie diese bei der zweiten Gruppe selbst ausprobiert.
Heidis Rückblick: „Anfänglich zögerliche Teilnahme im Padlet. Habe mich dazu entschlossen selbst 2 Satzteile zu posten um die Hemmschwelle ein wenig herabzusetzen. Kombinationen sind für mich auch untergegangen. Möglicherweise gelingt die Übung besser, wenn eine konkrete Frage/ Themenstellung formuliert wird: z.B. Schreibe einen kurzen Satz der mit Schwangerschaft (und Ernährung zu tun hat)“

Trotzdem entstehen im padlet Satzteile, die auch im Debriefing als Fragmente typischer Ammenmärchen, Klischees oder (persönlicher) Ernährungsmythen erkannt werden. Bemerkenswert ist beim Debriefing in einer Gruppe der Satz „Wie ich gekommen bin waren schon alle Satzteile da, die mir eingefallen wären.“ Offensichtlich wäre es wichtig gewesen, nicht nur auf einige zentrale „Improvisationsregeln“ zu verlinken sondern hier auf das Prinzip „Sei durchschnittlich“ hinzuweisen, also dass es auch ok ist, Gedanken zu wiederholen, auch in gleichen Worten.
Umgesetzt wird dann ein Assoziations Ping Pong zunächst ohne Vorgabe u. a. mit der unmittelbar danach gestellten Debriefingfrage, ob schon dort Themen der Lehrveranstaltung vorgekommen sind. Weiters wird gefragt, was wichtig ist, damit so ein Spiel überhaupt funktioniert. Genannt werden Spontanität, Schlagfertigkeit, Sprachkompetenz inkl. eines entsprechenden (Fach)Wortschatzes, zuhören, Flexibilität, Kreativität, gegenseitiges Verständnis in Bezug auf Lebensumfelder und soziale Faktoren; festgestellt wird auch wie wichtig die gemeinsame Sprache ist – nicht nur in Bezug auf Muttersprache, sondern im Sinn von dasselbe meinen bzw. verstehen. Genannt wird ebenso das Wort Kooperation als festgestellter Effekt.

Dann die Vorgabe, für das Assoziations Ping Pong als ‚Überschrift‘ bewusst ‚Ernährung von Schwangeren, Kindern und Jugendlichen‘ einzusetzen. In beiden Gruppen steigt in dieser Phase die Intensität des miteinander Spielens und der gegenseitige Fokus.
Die Paare werden gebeten, aus dem bisher entstandenen Material zwei „schwierige“ Worte zu wählen und daraus spontan einen Satz zu bilden. Heidi: An dieser Stelle ist mir aufgefallen, dass nicht ganz klar war, was „schwierige Wörter“ sind bzw. sind keine vorgekommen (z.B. Fachbegriffe etc.) Dann die Idee: Jemand aus dem Paar sagt einen Teil des Satzes, ich zeige auf jemand anderen und der/die sagt den zuvor gebildeten Satz. (Die Idee, eine Spielfläche zu bilden habe ich auch aufgrund der Verspätung verworfen, trotzdem gelingt es, dass sich die Teilnehmenden im Sitzen gegenseitig wahrnehmen). Hier wird im Debriefing nochmal Schlagfertigkeit, aufeinander hören und gegenseitige Anpassung genannt, weiters wird von Studierenden auf die Wichtigkeit der fachlichen Kompetenz beim diätologischen Beratungsgespräch hingewiesen. Studierende sind sichtlich über die verschiedenen Kombinationen überrascht und dass sich manche spannende Kombis ergeben, die trotzdem Sinn machen.

Heidi setzt dann am Ende der Lehrveranstaltung ein Rollenspiel ein (war nicht als ImproImpuls geplant), in dem ein Beratungsgespräch simuliert wird. Spontan frage ich nach, was die Teilnehmenden dabei als wichtig erlebt haben bzw. wahrgenommen haben. Als Antworten kommt u. a.: „Verständnis zeigen“, „auf unerwartete Worte & Aussagen hinhören & gut reagieren“, Achtsamkeit. Diskutiert wird, wie Hinweise von PatientInnen wahrgenommen werden, die auf denm ersten Blick nichts mit der gesteallten Frage zu tun haben aber ev. auf ein gesundheitliches Problem hinweisen könnten.
Heidi: „In Bezug auf das folgende Rollenspiel fände ich „Ja genau!“ ganz spannend bzw. auch den Chaosgenerator (z.B. Was kann in einem Beratungsgespräch alles getan/ gesagt werden, dass es so richtig misslingt.“
Für die zweite Vorbereitungsphase werden zwei Bilder in einem Google-Dok eingebettet, ein Baby wird gestillt sowie ein Kind das sichtlich etwa drei Jahre alt ist wird gestillt (Time-Cover). Als Anleitung wird gegeben: „Das Bild ansehen und eine unmittelbare Assoziation posten, also „einen Satz, der mir dazu einfällt“. Und: Das Bild jemand aus der Familie zeigen „Wenn Du an Ernährung denkst und dieses Bild sieht, fällt Dir spontan dazu ein…“ diesen Satz posten.“

Weiters wird ein Etherpad eingerichtet: „Poste einen Satz, der Dir in Bezug auf Ernährung gesagt wurde, der Dich als Kind / Jugendlicher ziemlich genervt hat. Suche Dir einen vorhandenen Satz aus und finde dazu eine überspitzende Formulierungsvariante oder eine weitere Überspitzung einer vorhandenen Variante (pro Satz gibt es dann max. drei Zuspitzungen) also z. B. „Spinat zu essen ist so wichtig, liebes Kind, er versorgt dich mit wichtigen Vitaminen, und hilft, Deinen Eisenhaushalt zu regulieren“ „Spinat macht Dich stark und wenn Du zuwenig ist, oh weh, dann droht Eisenmangel“ „Egal ob dir das schmeckt oder nicht, Spinat ist wichtig und Schluss“ „Frag nicht so dumm sondern iss“ In allen drei Dokumenten beteiligen sich viele Studierende.

In der darauffolgenden Präsenzphase erfolgt ein Debriefing der Online-Arbeiten.Die „überspitzte“ bzw. teils „unhöfliche Art“ im Etherpad unterstützt die Studierenden nach ihren Aussagen dabei, Zusammenhänge herzustellen zu Erfahrungen mit Essen (Ernährungsbiographie), wenn einem/einer Eltern Hinweise zu Essen geben oder auch an Orten wie Kindergarten und Schule. Studierende geben auch an, dass Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend sowie Diskussionen über Essen geweckt werden. So wurden auch weniger positive Erinnerungen zu Gesprächen mit Eltern, Großeltern und Personen in pädagogischen Kontexten ausgetauscht.
Dann folgt ein ‚Wort für Wort – Game‘, zunächst ohne Vorgabe dann mit „Wovon ich als Kind / Jugendlicher essensmäßig geschwärmt oder wovor mir gegraust hat.“. Sofort ist wieder eine intensive gegenseitige Zuwendung der Studierenden zu beobachten, Lachen, gegenseitige Aufmerksamkeit, und ein einander Hherausfordern. Dies wird noch ein Stück intensiver durch die Vorgabe. Heidi: ergänzend  „mit welchen Situationen verbinde ich das Schwärmen bzw. Grausen
Im Debriefing kommt als Thema Achtsames Zuhören sowie nochmals selbe Sprache und Grammatik („eine Sprache finden“). In der Diskussion ergibt sich weiters: Durch ein Wort von mir wird jemand anders in eine bestimmte Richtung gelenkt, wir finden Gemeinsames oder auch nicht, wir werden ev. auf etwas gebracht, das nicht „Unseres“ ist.“
Weitere Debriefingergebnisse. Genannt wird nochmals Kreativität, der Aspekt der Kooperation, vorausschauendes Denken und Handeln, aufmerksames Zuhören sowie mitdenken und Aufpassen, dass man nicht abschweift.

Für die dritte und vierte Vorbereitungsphase geplant war, dass die Studierenden miteinander „Bauernregeln“ entwickeln und ihre Entstehung mit Audio oder Video aufzeichnen (1. Person sagt ersten Teil der Regel, zweite Person ergänzt spontan zweiten Teil). Ich erkläre dazu aufgrund einer kritischen Nachfrage zur Sinnhaftigkeit von einer Studierenden via Forum: „“Bauernregeln“ sind eine Verdichtung von Informationen, bringen gerade auch Mythen und Klischeebilder auf den Punkt. Weiters geht es in der Methode nochmals um Themen wie Kooperation, Achtsamkeit, shared decision making (Stichwort Adhärenz) und eben intensiven Auseinandersetzung mit Mythen im Zusammenhang mit Ernährung. Dadurch, dass diese bei der Improvisationsmethode gemeinsam geformt werden geht es ebenso um Prozesse der aktiven Wahrnehmung und Umgang mit dem Unplanbaren.“
In Abstimmung mit Heidi wird auf die Umsetzung dieses Auftrages nicht weiter gedrängt, auch weil die Studierenden angeben, wegen Prüfungsvorbereitungen momentan wenig Zeit zu haben. Siehe zu diesem Thema in der Zusammenfassung und Ausblick.

In der dritten Präsenzphase bin ich nicht dabei und Heidi setzt ein:
Umgesetzt wird „Ich bin – ich bin – ich nehme“ in 3er Gruppen mit der thematischen Vorgabe Stillmanagement. Wichtig ist hier, dass auch wirklich der Platz für einen Kreis geschaffen wird (wurde aus Zeitgründen nicht gemacht). Gearbeitet wurde nur mit Worten, sehr passend wäre es auch gewesen diese pantomimisch darzustellen.
In der Reflexion dazu wurde genannt, dass Zusammenhänge sichtbar wurden, Fachwissen erforderlich war um nicht einfach irgendetwas zu sagen, Aufmerksamkeit, Mitdenken. Je nach Bereitschaft war es auch möglich in die Tiefe zu gehen oder oberflächlich zu bleiben. Nicht nur Ernährung (Inhaltsstoffe) sondern auch Verhalten spielen eine wesentliche Rolle. Heidi: „Mein Eindruck war, dass die Übung für Auflockerung und Aufmerksamkeit gesorgt hat. Manche waren eher skeptisch ob der Sinnhafigkeit.“

Die vierte Präsenzphase findet in der Übungsküche statt. Heidi versucht dort das Prinzip des Chaosgenerators umzusetzen, also „Was kann alles bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln schief gehen; was können Eltern dabei falsch machen?“ Dieser Impuls wird dann allerdings nicht weiter aufgegriffen. Es ist ein in Bezug auf die jeweils 16 Anwesenden vergleichsweiser enger Raum, in dem Studierende in sehr kurzer Zeit auch selbst entwickelte Rezepte zubereiten und verkosten. Insofern gehe ich in der Zusammenfassung auch der Frage nach, wie hier ImproImpulse umsetzbar gewesen wären. In der Reflexion entsteht die Idee, die Frage auf ein Klemmbrett zu schreiben und dieses in die Runde zu geben (auch auf engem Raum möglich).

In der letzten Präsenzphase sind beide Gruppen gemeinsam anwesend. Ich komme in der letzten halben Stunde dazu und setze eine Reflexion der Lernergebnisse wie folgt um: Alleine innerhalb von zwei bis drei Minuten die fünf wichtigsten Lernergebnisse festhalten. Dann in Triaden: Sammeln von drei Gemeinsamkeiten, ebenso innerhalb von zwei bis drei Minuten. Schließlich ein Nachdenken darüber, wie jede Person eine der drei gefundenen Gemeinsamkeiten darstellen kann in einem Körperbild (siehe dazu als Hintergrund) zu dritt, die anderen Anwesenden sollen Rückmeldung geben, was sie wahrnehmen.
Die Einzelphase und erste Triadenphase wird schnell, intensiv und ohne Widerstand umgesetzt. Beim Finden der Körperbilder gibt es sichtliches Zögern, allerdings finden alle drei Gruppen Bilder, die zu einem großen Teil mit Bewegungen animiert werden. Die Mutmaßungen, was gezeigt wird sind nur im geringen Maß zutreffend, was schnell dazu führt, dass die Energie gegen Ende deutlich zurückgeht, wobei zuvor schnell zumindest einige Zwischenrufe mit Ideen kommen. Hier hätte es einen Zwischenschritt gebraucht, um das Dechiffrieren von Körperpositionen kurz üben zu können.

Zusammenfassung und Ausblick
Schon in der ersten Präsenzphase wurden von zwei oder drei Studierenden intensiv nachgefragt, was die Anforderungen an die Lehrveranstaltung sind, auch weil sie auf einer anderen Lehrveranstaltung aufbaut.
Die ImproImpulse wurden in den Präsenzeinheiten grundsätzlich immer von allen und ohne Zögern umgesetzt. Immer wieder zu beobachten war der Spaß an der Sache sowie das gegenseitige commitment. Auch in den Online-Aufgabenstellungen finden sich viele interessante Beiträge, die sowohl von spontanen Handeln zeugen als auch mit persönlicher Auseinandersetzung, so wie in den eingangs erwähnten Lernzielen geplant. Besonders der Einsatz von Assoziationen zu den Bildern unterstützte die Reflexion eigener Erfahrungen; insgesamt gefördert wurde eine vielfältige und gleichzeitig individuelle Auseinandersetzung mit Ernährungsmythen.
Die Vorgabe, die ‚Bauernregeln‘ mit Video oder Audio aufzunehmen, haben einige Studierende sichtlich als ‚zu viel‘ bzw. ‚nicht zum Thema passend‘ erlebt. An dieser Stelle kam auch die Rückmeldung, dass die Mitwirkung am Forschungsprojekt von einigen eher als zwangsweise Verpflichtung erlebt wurde. Zunächst gibt es hier sicher einen Zusammenhang zu allgemeinen Unsicherheiten, wie sie etwa am Anfang dieser Zusammenfassung genannt werden. Mit einer textbasierten Vorgangsweise wären die Widerstände vermutlich ebenso weniger intensiv ausgefallen, da eine solche Vorbereitungsaufgabe für Studierende momentan eher die Ausnahme darstellt. Soll also video- oder audiobasiertes Vorgehen kommen, braucht es zum einen sicher Zeit, um dies gemeinsam auszuprobieren, eine noch bessere Erklärung kombiniert mit zumindest einem Beispiel sowie eine klarere Definition über die Wertigkeit im gesamten Workload. Zu diskutieren ist auch, wie der Grenzgang zwischen spielerische Methoden und Verpflichtung grundsätzlich umgesetzt werden kann. Nötig ist dazu sicher eine Diskussion mit den Studierenden sowie die noch bessere Darstellung etwa von Improvisationsmethoden als Weg, um sich mit verschiedenen Inhalten nicht nur assoziativ auseinander zu setzen und durch den Prozess zu lernen sondern auch persönliche Lernerfolge in inhaltlicher Hinsicht deutlich zu erleben. Also etwa das Merken von Begriffen, die Förderung von Verständnis komplexer Zusammenhänge usw.
Eine andere Frage ist, wie ImproImpulse in einer so ‚dichten‘ Atmosphäre wie in einer relativ engen Lehrküche mit dichten Programm einsetzbar wären. Zum einen könnten hier ImproImpulse auf einer vorbereitenden Ebene vorab online zum Einsatz kommen und Ergebnisse ganz am Anfang kurz einfließen. Zum anderen denkbar wären Beobachtungsaufgaben, die am Ende etwa mit Körperbildern zusammengefasst werden könnten.
Für weitere Zyklen der Umsetzung von ImproImpulsen in didaktischen Settings wichtig ist also:

Fragebögen bewähren sich nur sehr bedingt bis gar nicht zum Messen von Effekten. Alternativen könnten reflektierte, sehr einfach zu führende Varianten von ‚Lernlogbüchern‘ sein sowie ergänzende Gruppeninterviews bzw. ebenso einzelne qualitative Interviews
Reflexion Heidi:
Erste Erfahrungen mit Impromethoden.

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