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Improvisation meets Polyästhesie

Am 29. und 30. Oktober durfte ich bei einem Symposium der Internationalen Gesellschaft für Polyästhesie mitwirken (siehe auch Polyästhesie auf wikipedia), bei dem die FH St. Pölten Mitveranstalter und Mitgestalter war. Ein Beitrag von mir war ein Workshop „Improvisation auf transmedialer Ebene“ ein.

Bei der Auswahl der Methoden ging ich v. a. von folgenden Kriterien aus:

  • Alle Anwesenden können sich möglichst gleichzeitig beteiligen
  • Möglichst oft kann eine „digitale Dimension“ eine Rolle spielen
  • Methoden, die sehr schnell zu erklären sind
  • Orientierung am Zeitslot inkl. Einberechnung von Raum für Debriefing

Zum Einstieg gab ich einen rudimentären Abriss zur Geschichte Angewandter Improvisation mit einem Fokus auf

1) Stehgreiftheater von Moreno, das Jahrtausende alte Traditionen aufgreift dabei ebenso Elemente der Vorgangsweise des „Tricksters“ aufgreift

2) die Sammlung und der Einsatz von Spielen durch Neva Boyd, Viola Spolin, Keith Johnstone, gerade auch in der Arbeit mit Kinder und Jugendlichen, bei der es sowohl um grundlegende literacy – lesen & schreiben – geht, also auch um soziale Aspekte u. a. wie Kooperation, Selbstwirksamkeit, eigenständiges Handeln

3) Improvisation als eine wesentliche (Ausdrucks)Form von öffentlichen künstlerischen Tun u. a. ausgehend von Beuys „Jeder ist Künstler, alles ist Kunst“

(Weiterführende Details zu diesen Aspekten finden sich in diesem englischsprachigen wissenschaftlichen paper von mir, S. 92 – 114).

Durch meine Teilnahme am bisherigen Symposium war ich mir sicher, dass genügend der Anwesenden ein Smartphone hatten. Ich bat vier davon sich zu erheben, die Anwenden zu eine dieser Personen zu gehen. Die Impulse / Vorgaben für diese Kleingruppen waren dann:

  1. Schritt: Die Person mit dem Handy geht in den Raum und macht spontan ein Foto. Dieses war dann die Inspiration für eine Wort-für Wort Geschichte wobei die fotografierende Person das erste Wort einbrachte. Spannend war dabei, dass die Gruppen sich auch während des Tuns das Bild miteinander immer betrachteten, sich darauf bezogen, „obwohl“ es „nur“ als initiale Inspiration gedacht war
  2. Schritt: Die Person mit dem Bild verlässt die Gruppe und schließt sich damit einer anderen an, das Bild und die Person wird zu einer zusätzlichen Inspiration für die vorhandene Wort-für-Wort-Geschichte
  3. Schritt: Die Gruppe einigt sich, was das Hauptthema der bisherigen Geschichte war.
  4. Schritt: Dieses Thema als Inspiration nutzend oder die vorhandene Geschichte weitererzählend wurde nun im Satz-für-Satz-Modus gearbeitet
  5. Schritt: Ich fragte die Gruppen: Wer ist der Held / die Heldin der Geschichte? Da ich vorher beim Erzählen zugehört hatte, betonte ich, dass es sich auch um einen Gegenstand handeln kann. Die Gruppen wurden nun eingeladen, Körperbilder von diesem Held / Heldin einander zu zeigen und davon jeweils ein Bild zu machen.
  6. Schritt: Die Person, die die Bilder gemacht hatte wanderte wieder eine Gruppe weiter und zeigte die Bilder bzw. ließ sich die in der Gruppe entstandene Geschichte erzählen. Ausgehend von den mitgebrachten HeldInnenbildern wurden nun weitere Bilder der HeldInnen gebildet & fotografiert.
  7. und hier letzter Schritt: Figuren aus jeweils zwei Geschichten begegnen sich in einer mit Sprache und Bewegung improvisierten Szene, die auch durch die HeldInnenbilder inspiriert sein sollze mit der Einladung, die Geschichten zusammenzuführen. Die Szenen wurden auf Video festgehalten.

Beim Debriefing wurde von Anwesenden darauf hingewiesen, dass die assoziative Kombination der Geschichten zunächst scheinbar absurdes Material ergab, dass sich dann aber „trotzdem“ als ‚sinnvolle‘, kreative und im Moment entstandene gemeinsame Geschichte erwies. Betont wurde auch die sehr intensive Zusammenarbeit der Anwesenden. Ebenso angemerkt wurde die – auch für mich eindrucksvoll sichtbare – entstehende inspirierende, positive und ansteckende Energie zwischen den Anwesenden sowie ebenso viel an gemeinsamen Lachen.

 

Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Potentiale:

Eine Person wies beim Debriefing auf das Gefühl hin, sich unwohl dabei gefühlt zu haben, etwas vor den anderen zu inszenieren. In dieser Session hoffte ich, dass die Wort-für-Wort-Geschichte als Aufwärmen und Entstehen eines sicheren Rahmens hilfreich war bzw. auch dass die Anwesenden schon am Tag zuvor in einer relativ intensiven Interaktion gewesen waren. Gleichzeitig habe ich nicht auf die Freiwilligkeit des Mittuns hingewiesen… Sowohl diese Person als auch alle anderen Anwesenden beteiligten sich gleichzeitig in einer sehr intensiven Weise am (Weiter)Kreieren der Geschichten.

Der Einsatz digitaler Medien in diesem kurzen Zeitslot hat den Prozess durch visuelle Impulse angeregt und teils verstärkt. Die entstandenen Bilder könnten in einem weiteren Schritt Ausgangspunkte für andere Geschichten in Wort und Bild sein, wobei dies auch denkbar wäre, wenn alle Personen einen rein digitalen Zugriff auf das vorhandene Material haben.

Die Bilder von HeldInnen könnten Ausgangspunkte dafür sein, Eigenschaften von HeldInnen zu analysieren und Verbindungspunkte zu eigenen Stärken und Potentialen zu knüpfen. Gleichzeitig könnten sie Impulse liefern, über die grundsätzliche Struktur von Geschichten im Sinne der HeldInnenreise zu reflektieren. Ein mögliches Szenario, das ich dann nicht umgesetzt habe, wäre auch eine Begegnung und Interaktion ausschließlich der HeldInnen der Geschichten gewesen. Aus Zeitgründen entfallen ist zudem der Schritt der Reinszenierung der wort-für Wort-Geschichten. Wobei aus der Gruppe die gute Idee gekommen ist, die Geschichten als Audio-File aufzuzeichnen, ebenso eine gute Weiterentwicklungsmöglichkeit.

Das Videomaterial der zwei Geschichten könnte in einem folgenden Schritt zu einer einzigen Geschichte weiter verwoben werden, also eine assoziative Herangehensweise an Schnitttechnik.

ImproHack auf der #dghd17

Ich war bei der #dghd17 auch bei einem „Hacking-Event“ beteiligt und dabei mit Angewandter Improvisation auch als Teil meines Weges meiner Dissertation gearbeitet (ergänzende Kommentare und Wahrnehmungen u. a. der etwa 30 Teilnehmenden an dieser Session sind natürlich herzlich willkommen).

Hacking  meint in diesem Kontext mit einem spannenden Mix an Versuch und Irrtum zu arbeiten sowie vorhandene Konzepte, Methoden, Materialien völlig neu zu kombinieren und einzusetzen (siehe diesen Beitrag dazu). Gerade Methoden aus der Angewandten Improvisation können dabei hilfreich und inspirierend sein. Sie initiieren, begleiten nicht nur kreatives Denken, das finden unkonventioneller Handlungsoptionen, sondern unterstützen auch das Fokussieren auf konkrete Schritte und deren Reflexion. Weiters haben sie einen positiven Einfluss auf die Art der Zusammenarbeit, auf das gesamte Flair in Denk- und Arbeitsräumen im weitesten Sinn. Mit Improvisationsmethoden geschieht weiters in einem sehr umfassenden Sinn Bricolage, also nicht nur das Sammeln und Strukturieren eines Repertoires an Erfahrungen, Ideen und Materialien, sondern auch eine spielerische Kombination dieser, ein angstfreies und lustvolles Prototyping (Hintergrund zum Begriff siehe zB diesen Fachartikel).

Thema war bei der #dghd17 interne Kommunikation, also auch die Frage wie sich hochschuldidaktische Themen gut vermitteln, anbringen lassen. So habe ich die Teilnehmenden gebeten zunächst auf einige zentrale Improvisationsregeln hingewiesen, also, dass sie nichts falsch machen können und sie sich der allerersten Idee anvertrauen können die sie haben und dass dabei auch Ideen entstehen dürfen, die im ersten Moment banal oder gewöhnlich erscheinen (mehr siehe hier).

Dann habe ich eingeladen sich dem Nachbarn / der Nachbarin zuzuwenden und sich vorzustellen. Ein Schritt der gerade auch für diese Methoden immer wichtig bleibt und zu einem vertrauensvollen Miteinander beiträgt. Weiters dann sich die aktuell dringendste Herausforderung in der internen Kommunikation zu Hochschuldidaktik zu berichten. Und zwar in einer bewusst kurz angelegten Zeitspanne (1 Minute). Weiters dann darauf zu achten, ob es bei diesen beiden Herausforderungen ein übergeordnetes Thema gibt.

Der nächste Schritt war zunächst das Prinzip der Wort-für-Wort Assoziation miteinander auszuprobieren. Ich habe dann nach ca. 2 Minuten nachgefragt, ob sich schon in dieser Geschichte Hinweise, Ideen und Handlungsoptionen für das vorher gefundene Thema gefunden haben. Dann folgte die Bitte, die Übung mit der Vorgabe zu wiederholen, miteinander eine mögliche Lösung zum Thema kollaborativ zu entwickeln. In beiden Schritten zeigte sich ein Effekt, den ich oft beobachte: Die anfängliche Zuwendung aus dem gegenseitigen Bericht einer Herausforderung wurde in der Körpersprache, im Augenkontakt, in zuwendenden Gesten noch intensiver. Der Energielevel des gemeinsamen Tuns stieg merkbar an, auch im Sinn von höheren Tempo, etwas höherer Lautstärke und auch Lachen.

Abschließend lud ich ein Gruppen mit drei bis vier Personen zu bilden und mit der Grundmethode des Solution Threesome umzusetzen, in diesem Fall mit der Variante, dass ein vierter Satz eine Art ‚Moral der Geschichte‘ bilden sollte. Wieder wurde merklich intensiv und lustvoll gemeinsam gearbeitet.

Im Debriefing wurde auf die lustvolle und zugleich intensive Atmosphäre hingewiesen, darauf, dass unkonventionelle und spannende Ideen entstanden, auch durch das aktive Zuhören und das innere Weiterdenken von ausgesprochenen Worten und Sätzen anderer Teilnehmender. Eine Teilnehmerin gab an sich überfordert zu fühlen. In einem Gespräch danach haben wir auch darüber gesprochen, dass es bei dieser Vorgangsweise ein sehr, sehr hohes Tempo gewählt wurde und manche Zwischenschritte angesichts des engen Zeitrahmens (15 Minuten) weggelassen wurden bzw. auch die Phase des Aufwärmens, also des aufeinander und die Methoden einlassen sehr, sehr kurz ausfiel.

Insgesamt eine sehr gelungene Umsetzung, die einmal mehr viele Potentiale von Improvisationsmethoden auch für das Finden und Konkretisieren von Ideen für als herausfordernd erlebte Themen / Situationen zeigte.

Bei einer weiteren Umsetzung mit einem ähnlich engen Zeitfenster könnte die Aufwärmphase durch eine Veränderung der Sesselanordnung im Raum unterstützt werden, was in diesem Fall innerhalb von einer Minute machbar gewesen wäre. Weiters wäre eine ergänzende kleine Körperübung möglich gewesen (im Sitzen oder vielleicht noch besser kurz im Stehen) im Sinn von: Ich gebe einen Impuls, Du reagierst mit einem Impuls usw. So wären die Barrieren, für einige beim Tun vermutlich noch niedriger gewesen. Auch für die Weiterentwicklung wichtig ist einmal mehr die Frage der Dokumentation entstandener Ideen. Ein gleichzeitiges Mitschreiben hätte hier das Prinzip der Überforderung zu stark ausgereizt, denkbar wären Tonaufnahmen.